Unsere Ernährung ist weltweit für etwas mehr als einen Viertel aller Treibhausgasemissionen verantwortlich, hat also einen massiven Impact auf unseren ökologischen Fussabdruck. Von den unglaublichen 13.6 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalenten, die allein durch unsere Ernährung jedes Jahr in die Athmosphäre gelangen, sind rund 53% direkt auf die Tierhaltung zurückzuführen¹.

Allein diese wenigen Fakten zeigen: Eine Ernährung mit wenigen oder sogar ohne tierische Produkte wäre zweifellos umweltfreundlicher. Ich persönlich teile diese Meinung zu hundert Prozent und setze mich auch dafür ein, dass weniger tierische Produkte konsumiert werden. Gleichzeitig weiss ich aber aus Erfahrung, wie sehr das Thema Ernährung mit Emotionen behaftet ist, wie schnell das Gefühl aufkommt, sich für die eigene Ernährungsweise rechtfertigen zu müssen. Deshalb möchte ich hiermit versuchen, einen versöhnlichen, aber konstruktiven Standpunkt einzunehmen, damit eine umweltfreundliche Ernährung möglich wird, aber dennoch Spass macht.

 

Ein kurzer Abriss meiner Ernährungsgeschichte

Ich habe vor etwa 15 Jahren entschieden, kein Fleisch mehr zu essen. Damals waren tierethische Gründe ausschlaggebend für diesen Entschluss und entgegen der Annahme meiner Eltern bin ich bis heute dabei geblieben, mehrheitlich auf Fleisch zu «verzichten». Es wäre gelogen zu sagen, dass mir der Umstieg damals leicht gefallen ist, ich bin mit einem regelmässigen Fleischkonsum aufgewachsen und mochte es immer sehr. Gleich alle tierischen Produkte aus meinem Essensplan zu streichen, kam damals irgendwie aus diversen Gründen nicht in Frage.

Heute weiss ich, dass mein Vegetarismus unkonsequent ist, und zwar auf der ganzen Linie: Die Produktion von Milchprodukten und Eiern ist für ebenso viel Tierleid verantwortlich wie der Konsum von Fleisch. Gleiches gilt für den hohen Ressourcenverbrauch und auch aus gesundheitlicher Perspektive gibt es mit dem heutigen Wissensstand keine überzeugenden Argumente mehr gegen eine (durchdachte) vegane Ernährung. Der Konsum von tierischen Produkten ist also eine reine Genuss- und Gewohnheitsfrage.

Trotz dieser Erkenntnisse und dieses Wissens fiel es mir irgendwie immer schwer, die rational absolut sinnvolle Entscheidung zu treffen, Veganerin zu werden. Dafür gibt es sicher verschiedene Gründe, zwei möchte ich hier aber hervorheben: Erstens wusste ich schlichtweg nicht so recht, wie und wo ich anfangen sollte. Und zweitens war da dieser Gedanke im Hinterkopf, dass ich dann ja nie mehr Raclette, Joghurteis oder Mozarella auf der Pizza essen dürfen würde.

In den letzten Jahren kam ich mit mehr und mehr Veganer*innen in Kontakt, wurde von leckeren Rezepten im Internet inspiriert und entdeckte immer neue vegane Produkte in den Regalen von Lebensmittelgeschäften. Die vegane Ernährung ist auf dem Vormarsch, das zeigt sich sowohl am Angebot von Ersatzprodukten als auch an der steigenden Anzahl Menschen, die sich dafür stark machen. Im Austausch mit genau solchen Menschen lernte ich, dass eine vegane Ernährung keinen Verzicht bedeuten muss, dass es tolle Alternativen gibt zu tierischen Produkten und dass Neugier und Spass am Essen zu neuer Inspiration führt.

Und wo stehe ich heute? 

Schubladen sind doof

Ich würde sagen, dass ich mich heute zu 80-90% vegan ernähre. Ich esse aber Raclette, auf meiner Pizza liegt echter Mozarella und im Sommer gibt’s Joghurteis. Etwa zweimal im Jahr geniesse ich Redli Salami oder eine Scheibe Trockenfleisch. Was bin ich jetzt? Fleischesserin? Wohl kaum. Veganerin? Nö, irgendwie auch nicht.

Ja, solche Labels können helfen, können uns ein Ziel oder zumindest eine Orientierunghilfe bieten – gerade in einer Gesellschaft, die sich immer noch sehr fleischlastig ernährt. Für mich persönlich habe ich aber gemerkt, dass mich diese Schubladen einengen, mich demotivieren und entmutigen. Und ich denke, dass ich damit nicht allein bin. Menschen, die gerade anfangen möchten, ein nachhaltigeres Leben zu leben, fühlen sich vielleicht davon eingeschüchtert, dass ihnen überall nur perfekte Veganer*innen begegnen, dass der Konsum von tierischen Produkten häufig verteufelt wird. Die Auswirkung davon? Absolut kontraproduktiv, wenn ihr mich fragt.

Viel zielführender ist es, Menschen zu ermutigen, Neues auszuprobieren und dort Veränderung zuzulassen, wo sie sich bereit dazu fühlen. Bis vor zwei Jahren hätte ich mir niemals vorstellen können, die Milch in meinem Schwarztee und meinem Latte Machhiato mit einer pflanzlichen Alternative zu ersetzen. Heute mag ich diese Getränke mit Hafermilch tatsächlich viel lieber und Kuhmilch steht bei mir nur noch sehr selten im Kühlschrank. Solche Beispiele gibt es einige in meinem Alltag – welches sind deine?

Wir brauchen keinen Perfektionismus. Wir brauchen Menschen, die unperfekt, aber neugierig sind.

Ich freue mich, wenn du mit mir in den Austausch trittst. Hinterlasse mir doch einen Kommentar!

Falls du das Thema vertiefen möchtest, verweise ich dich gerne auf folgende drei Podcastfolgen zum Thema Ernährung:
Folge 21: Ernährung & Umwelt – welche Effekte hat unser Essen auf den Planeten?
Folge 22: «pflanzenbasierte Ernährung ist kein Verzicht» | Interview mit Luc Biege, Ernährungsberater – Teil I
Folge 23: «pflanzenbasierte Ernährung ist kein Verzicht» | Interview mit Luc Biege, Ernährungsberater – Teil II

Quellen: 

¹ Ritchie, Hannah (2019): Food production is responsible for one-quarter of the world’s greenhouse gas emissions. Webdokument. UR: https://ourworldindata.org/food-ghg-emissions (letzter Zugrifff: 11.03.2021)