Digitaler Minimalismus – wie geht das? Wenn von Minimalismus gesprochen wird, dann wird meist auf den Besitz realer Gegenstände Bezug genommen. Dabei kann dieser Lebensstil als viel mehr verstanden werden, als nur das Zählen der eigenen Besitztümer: Er dreht sich um die Frage, womit wir uns umgeben wollen, ganz egal in welchem Lebensbereich. Der digitale Raum wird dabei jedoch häufig aussen vor gelassen. Und wenn von digitalem Minimalismus die Rede ist, dann oft im gleichen Atemzug wie «digital Detox», also das phasenweise komplette Zurückziehen aus dem digitalen Raum. Dabei bin ich überzeugt, dass uns der digitale Minimalismus dabei helfen kann, unsere Aufgaben effizient zu erledigen und das Leben zu führen, welches wir führen möchten. Warum genau, das erfährst du in diesem Artikel.

In Riesenschritten vorwärts 

Die digitale Welt wird für uns immer wichtiger, das gilt sowohl für die Arbeit als auch für unsere Freizeit. Ungebremst wurden wir in den letzten Jahren in dieses neue, digitale Zeitalter geschossen und es scheint mir, als wäre das für uns alle etwas zu schnell gegangen. Filme in Echtzeit streamen? Zahlen mit einer Uhr? Kleine Plastikplättchen mit Terrabites an Speicherplatz? Vor noch 20 Jahren unvorstellbar. 

Für die Recherche am Thema «digitaler Minimalismus» habe ich darüber nachgedacht, weshalb uns ein strukturierter Umgang mit unserem digitalen Besitz schwerfällt. Einerseits ist da die Persönlichkeit: die einen arbeiten gut und fokussiert mit einem Bildschirm, der mit Icons zugepflastert ist. Andere mögen’s eher aufgeräumt – dass es da Unterschiede gibt, gilt für Desktops vermutlich genauso wie für Wohnzimmertische. Andererseits glaube ich aber, dass wir hier eine Art Bildungslücke haben, denn: wer hätte uns denn digitale Ordnung beibringen sollen? Als ich noch zur Schule ging, lernte ich zwar in groben Zügen, was ein Computer so kann. Allerdings war das Ganze für unsere Lehrkräfte noch ebenso neu wie für mich. Heute ist Medienkompetenz zwar fester Bestandteil der Lehrpläne, im Verhältnis zur Wichtigkeit digitaler Geräte in unserem Alltag ist dies aber noch nicht sehr lange der Fall. 

Dabei können uns Ordnung und Übersicht in unseren Programmen und Dokumenten dabei unterstützen, unsere Aufgaben effizienter zu erledigen. Ohne zu sehr in das Thema Selbst- und Arbeitsorganisation eintauchen zu wollen: Um Tasks effizient abarbeiten zu können, sollten wir immer nur das angezeigt bekommen, was für diese Aufgabe unmittelbar relevant ist. Sehen wir ständig noch andere Emails und To Dos, schweift unsere Aufmerksamkeit ab und wir brauchen ständig Zeit, um uns wieder in die Ursprungsaufgabe einzufinden. 

Eine Kernfrage des Minimalismus ist: Womit will ich mich umgeben?

Programme und Social Media

Eine Kernfrage des Minimalismus ist «womit will ich mich umgeben?». Diese Frage kann auf alle Lebensbereiche angewendet werden – auch auf den digitalen Raum. Gerade weil wir inzwischen viel Zeit an Handies, Laptops und in sozialen Netzwerken verbringen, sollten wir versuchen, einen reflektierten und bewussten Umgang damit zu finden. Ich glaube sogar, dass wir die Technologie so nutzen können, dass sie uns dabei hilft, genau dieses Leben zu führen, welches wir führen möchten. 

Social Media stehen berechtigter Weise in vielerlei Hinsicht in der Kritik. Für alle von uns, aber insbesondere natürlich für Kinder und Jugendliche, können die perfekten Bilder und das ständige Vergleichen belastend sein. Wichtig scheint mir also zu hinterfragen, welchen Profilen man folgt und welche Inhalte man sehen möchte. Wie im realen Leben sollte auch hier gelten: «Was mir gut tut, darf bleiben, was nicht, nicht.»
Trotz der Kritik sehe ich sehr viel Potenzial in sozialen Netzwerken wie Instagram und co. Durch sie haben wir die Möglichkeit, uns mit Menschen auf der ganzen Welt zu vernetzten, die die gleichen Leidenschaften teilen wie wir. Wir können also gezielt nach Profilen suchen, die uns inspirieren, uns empowern und uns dabei helfen, unsere Ziele und Visionen zu verfolgen.

Programme und Apps sind unsere kleinen digitalen Helferlein – solange wir sie richtig nutzen. Denn sie können sehr schnell auch nur Speicherplatz und Aufmerksamkeit fressen, ohne uns zu nützen. Sowohl unsere Laptops als auch unsere Handies haben inzwischen die Funktion uns anzuzeigen, welche Programme wir am häufigsten nutzen. Da lohnt es sich, mal einen Blick drauf zu werfen und sich zu fragen, ob das wirklich ist, womit wir unsere Lebenszeit verbringen möchten. In der Konsequenz können wir anschliessend Apps und Programme, welche wir nie brauchen oder nicht brauchen möchten, de-installieren. Gleichzeitig können wir uns fragen, welche Software unsere Produktivität oder Lebensstil unterstützen könnten. Beispiele sind Programme, mit denen die Nutzung von Social Media auf bestimmte Tageszeiten oder eine festgelegte Dauer eingeschränkt werden kann, oder Programme, die uns helfen, unsere Produktivität zu steigern (bspw. To-Do-Listen, Reminder, Timer etc.)

Anleitung: 4 Schritte zu digitalem Minimalismus 

Wenn du Lust hast, digital auszumisten und Ordnung und Klarheit zu gewinnen, können dir folgende vier Schritte dabei helfen, dein Ziel zu erreichen. 

Schritt 1: Vorbereitung & Bestandesaufnahme 
Bevor du mit sortieren und löschen beginnst, solltest du einige Vorbereitungen treffen: 

  • Mach ein Backup, damit du im Notfall alle Dateien noch hast. 
  • Analyse des Status quo: Was hast du und wo liegen deine Problemzonen?
  • Ziel definieren: Wo willst du Ordnung schaffen? Wie stellst du dir das Endergebnis vor?

Lege dir anschliessend verschiedene Kategorien (Fotos, Dokumente, Programme, etc.) und ev. auch Unterkategorien fest, die du nacheinander durcharbeiten wirst. Plane dir genügend Zeit für die einzelnen Aufgaben ein. So behältst du die Übersicht und schaffst Erfolgserlebnisse.

Schritt 2: Reduktion
Nun geht es um die Durchsicht und Reduktion in den einzelnen Kategorien. Hier einige Inspirationen für Bereiche, in denen du reduzieren kannst: 

  • Programme & Apps deinstallieren
  • Fotos & Dokumente löschen oder auslagern
  • Notifications ausschalten
  • Emails aussortieren & Newsletter de-abonnieren
  • Chats löschen, archivieren oder austreten
  • Film- und Musiksammlungen ausmisten

Behalte, was dir Freude bereitet, du regelmässig brauchst, zu deiner Effizienz beiträgt oder du zwingend behalten musst. 

Schritt 3: Struktur schaffen
Schaffe Strukturen, die es dir einfach machen, deine Dokumente wiederzufinden. Überlege dir, nach welchen Kategorien du deine Dateien ablegen und benennen möchtest und welche Ordnung deinen Arbeitsfluss unterstützt.

Mache dir in diesem Schritt auch Gedanken zum Thema Sicherheit & Backup: Wie oft und wie willst du deine Daten sichern? Wo? Welche Ordnerstruktur funktioniert auch auf einer Cloud / einem externen Server, damit du deine Daten ohne grossen Aufwand sichern kannst? 

Nutze die technischen Möglichkeiten: Gewisse Apps und Programme können dir dabei helfen, deine Ordnung auch über verschiede Geräte hinweg zu behalten. 

Schritt 4: Ordnung halten
Etabliere ein System, damit du die Ordnung auch halten kannst. Lege deine Dateien, Fotos, Emails etc. immer gleich da ab, wo sie in deiner neuen Struktur hingehören. Alternativ kannst du alles sammeln und regelmässig, z.B. 1x wöchentlich, einordnen. 

Hinterfrage dabei immer, ob du dieses Dokument, Foto, Email wirklich behalten willst und welchen Mehrwert es für dich bringt. So behältst du eine minimalistische Perspektive auf deinen digitalen Besitz.

Wenn du mehr zum Thema digitaler Minimalismus erfahren möchtest, dann findest du die beiden Podcastfolgen zum Thema hier:
Folge 71: Digitaler Minimalismus I – digital aufgeräumt und klar ins neue Jahr.
Folge 72: Digitaler Minimalismus II – womit willst du dich digital umgeben?